Fokuskommando
Die Grundlage für erfolgreiche Distanzarbeit
Zweifellos hat sich Agility in den letzten 5 Jahren rasant verändert. War es früher noch möglich, dass ein laufstarken Hundeführer mit einem mittelschnellen Hund alles auslaufen konnte und so ein fehlerfreier Lauf gelang, ist dies heute je nach Parcoursgestaltung und Richter weitaus seltener möglich. Sequenzen müssen auf Distanz geführt werden. Eine neue Art des Aufbaus im Agility integriert die Distanzarbeit und den Gerätefokus von Anfang an ins Training.
Veränderung in allen Leistungsklassen
Dabei ist längst nicht nur die höchste Leistungsklasse von dieser Veränderung geprägt. Auch in der A1 und A2 finden wir deutlich mehr Distanzelemente. Sprünge, Tunnel und Laufsteg stehen im Laufweg des Hundeführers und die Hunde müssen die Geräte selbstständig anziehen, weil der Hundeführer es nicht mehr schaffen (kann) alles mit auszulaufen. Für Hunde, die so ausgebildet wurden, die Linie selbstständig zu lesen, stellt dies in der Regel weniger Probleme dar, weil sich die Linien logisch ergeben. Auch schnelle Hunde mit gutem Gerätefokus kommen diese Art von Parcours sehr entgegen.
Manche stellt dieser Trend vor Herausforderungen
Problematisch wird es für 2 Gruppen:
- Erfahrenere, ältere Hunde mit geringem Gerätefokus. Für diese Teams war es in der Vergangenheit meist möglich alles mit auszulaufen. In modernen Parcours ist dies häufig nicht mehr möglich. In der Grundausbildung dieser Hunde stand Distanztraining und Gerätefokus häufig noch nicht auf dem Stundenplan, so dass dieses Konzept nachgeschult werden müsste. Jedoch wissen wir alle, dass es immer schwieriger ist etwas nachzutrainieren als von Anfang an aufzubauen. Gerade wenn diese Teams seit fünf oder mehr Jahren laufen und ohne diese Skills durch die Parcours gekommen sind, wird es schwer den jahrelang gefestigten Fokus auf den Handler umzulenken auf einen Fokus aufs Gerät.
- Anfängerteams, die eine klassische Ausbildung mit Locken durchlaufen. Früher war es noch möglich in einem qualitativ weniger hochwertigen Agilitytraining zu beginnen und dann in ein durchdachteres Training zu wechseln und erfolgreich im Turniergeschehen unterwegs zu sein. Heute werden es Teams, die zu lange ihre Hunde am Wurstzipfel durch den Parcours gelockt haben, deutlich schwerer haben durch Parcours in den höheren Klassen zu kommen.
Fokus & Distanztraining von Anfang an
Die Konsequenz hieraus ist ein strukturiertes Training mit Schwerpunkten auf Gerätefokus, Distanzübungen und Verständnis von Verbalkommandos. Im Idealfall startet dieses vom Beginn der Ausbildung an. Allerdings können auch Teams der oben genannten Gruppen durch gezieltes Training dieser Skills Verbesserungen erzielen. Wobei die Schritte hier klein gewählt werden sollten und die eigene Erwartungshaltung an die Lerngeschichte des Hundes angepasst werden sollte. So wird es einige Zeit brauchen, um aus einem Hund der 4 Jahre lang zu jedem Gerät begleitet wurde einen Hund zu machen, der die Geräte auf 6 Meter Distanz anzieht.
Im folgenden beleuchten wir die einzelnen Element separat.
Ich habe keine eigenen Geräte 🙁
In meinem Training möchte ich Konzepte vermitteln, welche dann auf Geräte übertragen werden können. Diese Konzepte können zu einem großen Teil ohne Geräte auf kleiner Fläche aufgebaut werden. Hat ein Hund die Grundlagen verstanden, fällt es sehr viel leichter diese auf Geräte zu übertragen und später im Parcours abzufragen. So ist es selbst ohne eigene Geräte möglich diese Skills aufzubauen.
Ab welchem Alter kann das Training starten?
Wie oben geschrieben sind für die Grundlagen keine Geräte nötig. Dies hat den großen Vorteil, dass die meisten Konzepte körperlich wenig belastend sind und so theoretisch schon mit sehr jungen Hunden aufgebaut werden können. Natürlich sollte der Hund die mentale reife haben und sich schon etwas auf eine Aufgabe konzentrieren können. Ein Verständnis für Belohnungen und eine Bleibposition sind auf jeden Fall hilfreich. Auch etwas Impulskontrolle sollte schon vorhanden sein, bevor es losgehen kann. Warum Impulskontrolle wichtig ist, erfährst du übrigens hier.
Gerätefokus
Der Gerätefokus lässt sich wunderbar als Fokus auf eine Belohnung beginnen. Ziel ist hier, dass der Hund auf ein Kommando (z.B. „Fokus“) eine Belohnung anschaut, aber nicht hinrennt, sondern in der Warteposition bleibt. Hierfür empfiehlt sich der Futterautomat, aber auch ein Napf bewacht von einer Hilfsperson ist möglich.
Der Hund sollte diese Belohnung bereits kennen und Zug zum Automaten/Napf haben. Dann kann er anfangs (am Geschirr) gehalten werden und wird erst losgelassen, wenn er zumindest zur Belohnung schaut oder vielleicht sogar hinzieht. Steht der Hund sehr im Zug, kann gehalten werden bis er kurz etwas nachgibt und sich zurücknimmt. Hier kann auch schon das Fokuskommando gesagt werden wenn der Hund hinschaut, aber nicht hinzieht. In diesem Moment wird losgelassen. Nach einigen Wiederholungen kann eine Bleibposition abgefragt werden (Sitz, Platz, Steh). Nun soll der Hund trotz des Fokuskommandos die Position halten und erst aufs Auflösekommando (z.B. „Okay“ oder „Such’s“) die Belohnung nehmen. Ein sehr kurzer Moment des Zurücknehmens reicht hier anfangs aus, es sollte also schnell aufgelöst werden. Allerdings sollte kein Frühstart belohnt werden.
Es ist gut, wenn hier anfangs Frühstarts passieren, die durch wegnehmen/entfallen der Belohnung nicht zum Erfolg führen. So kann der Hund ein Verständnis für das Halten der Position und des Fokus aufbauen. Nach und nach kann dann der Intervall des Fokus verlängert werden. Auch kann man hier sehr gut ablenkende Bewegungen des Handlers einbauen, währenddessen der Hund den Fokus halten soll:
Challenges zum Fokus
Kannst du auf der Stelle laufen während dein Hund den Fokus hält? Kannst du Hampelmänner machen während dein Hund den Fokus hält?
Kannst du hinter deinem Hund stehen, während er den Fokus hält?
Ist das Fokuskommando einmal aufgebaut, kann es auf eine Spielzeugbelohnung übertragen werden. Hierfür sollte der Hund aber kaum noch Fehler machen, da wir diese Belohnung nicht kontrollieren können und durch zu viele Korrekturen der Zug zum Spielzeug in Mitleidenschaft geraten kann.
Im nächsten Schritt wird das Kommando dann auf ein Objekt übertragen. Bei jungen Hunden nehme hier gerne eine Hundeliege, die der Hund bereits mit einem Kommando kennt und ohne schon anzieht, weil er dort oft belohnt wurde. Ich baue die Übung gleich auf und kann anfangs auch einen Keks auf der Liege auslegen, den der Hund fokussiert. Dann lege ich keine Belohnung mehr aus, sondern schicke den Hund nach dem Fokus mit dem Kommando für die Hundeliege auf den Platz. So wird das Konzept „Belohnung fokussieren“ zum Konzept „Objekt fokussieren“.
Je mehr Objekte/Geräte der Hund nun kennen lernt, desto mehr Möglichkeiten eröffnen sich das Fokuskommando einzusetzen. Lernt der Hund den Tunnel kennen, so kann der Fokus auf den Tunnel übertragen werden, sobald der Tunnel selbst als Gerät verstanden ist (und angezogen wird). Genau so kann der Fokus auf Sprungkommandos und alle anderen Geräte übertragen werden. Das Konzept des „Objekt Fokussierens“ wurde nun um Geräte als Objekt erweitert.
Sehr wichtig ist hier, dass der Hund seine Aufgabe am Geräte gut verstanden hat, bevor wir das Gerät mit dem Fokuskommando verbinden. Ein Hund der beispielsweise im Tunnel noch umdreht sollte erst den Tunnel verstehen, bevor das Fokuskommando hinzu genommen wird.
Distanzübungen
Hat der Hund verstanden auf das Fokuskommando ein Gerät anzuschauen, so kann der Handler sich immer mehr in die seitliche Distanz begeben. Auch ein junger Hund kann so zum Beispiel auf der anderen Seite des Laufstegs einen Tunnel fokussieren, während der Handler in 10-15 Metern seitlicher Distanz steht und das Fokuskommando abfragt. So gewöhnt sich bereits der Junghund daran eine Aufgabe alleine zu erledigen und nicht zu jedem Gerät begleitet zu werden. Später wird es dann für den Hund selbstverständlich sein Geräte zu suchen und diese selbstständig auch auf Distanz abzuarbeiten, sobald das Grundverständnis für das Gerät aufgebaut ist.
Belohnungspunkt
Wichtig beim Aufbau der Distanzarbeit ist die Position der Belohnung. Der Belohnungspunkt sollte immer auf der Linie des Hundes sein und nicht aus der Hand des Hundeführers kommen, damit der Hund in der Distanz belohnt wird und nicht für das Hereinkommen zum Handler. Auch eine geworfene Belohnung ist oft nicht ideal, da viele Hunde beginnen sich umzugucken. Hier muss das Timing schon sehr gut stimmen, damit die geworfene Belohnung den selben Effekt erzielt wie eine ausgelegte Belohnung.
Verständnis von Verbalkommandos
Auch das Verständnis von Verbalkommandos kann sehr gut auf kleiner Fläche aufgebaut werden. Dazu nehme ich gerne 2 Kommandos die der Hund sicher ohne Handzeichen beherrscht. Es eignen sich zum Beispiel Sitz und eine Drehung um die eigene Achse (z.B. Kommando „links“). Nun soll der Hund rein auf Wortkommando beide Verhaltensweisen unterscheiden. Wenn dies bereits schwierig ist, sollten beide Kommandos separat aufs Hörzeichen geübt werden. Hierbei muss unbedingt darauf geachtet werden, dass keine Überschattung vorliegt.
Diese Art des Kommandounterscheidung lässt sich beliebig ausweiten mit allen Verhaltensweisen, die unser Hund auf reines Wortkommando lernen soll. Versteht der Hund das Konzept der Verbalunterscheidung auf kleiner Fläche, so lässt sich dieses später leichter auf die Unterscheidung der Geräte im Parcours übertragen. Der Hund lernt so unabhängig von unserer Körpersprache ein (vorher gut bekanntes) Verhalten/ Gerät auszuführen.
Overshadowing
Hunde kommunizieren zum Großteil über Körpersprache, daher achten sie auch auf unsere Körpersprache sehr viel mehr als auf unsere verbale Kommunikation. Wenn wir nun zeitgleich ein Verbalkommando und ein physisches Kommando (zum Beispiel den Keks im Kreis führen) geben, so wird der Hund immer das physische Kommando verstärkt wahrnehmen und nicht das verbale (welches eher der menschlichen Art der Kommunikation entspricht). Um das Lernen zu beschleunigen, sollten wir daher immer zuerst das Verbalkommando geben und dann das physische Kommando (die Handhilfe). So kann der Hund das Verbalkommando als Ankündigung des physischen Kommandos verstehen und wird diesem irgendwann zuvor kommen.
Distanzarbeit ergibt sich von selbst
Sind einmal ein guter Gerätefokus und Sicherheit am Gerät aufgebaut, so ergibt sich die Distanzarbeit von selbst und ist kein Hexenwerk mehr. Wie so oft, müssen die Grundlagen stimmen bevor die Skills im Parcours trainiert werden sollten. Ohne Grundkenntnisse der erwähnten Konzepte wird sich ein Hund der nur mit ausgelegter Belohnung in die Distanz gelockt wird (je nach Veranlagung und Erfahrung) deutlich schwerer damit tun, Distanzarbeit zu erlernen.
5 Day Indoor Challenge
Videos zu diesen Grundlagen und mehr Skills die sich auf kleinster Fläche vorbereiten lassen findest du in der 5 Day Indoor Challenge (auf Englisch):